Was die Hintergründe waren, die die Männer des Jahrgangs 1823 bewogen hatten, 1873 erstmals den 50.Geburtstag gemeinsam zu feiern, ist leider nicht überliefert. Möglicherweise griffen die 50er des Jahres 1873 einen Brauch auf, der bereits seit dem 18. Jahrhundert in der Nordschweiz bekannt war und sich seit Anfang des 19. Jahrhunderts im schwäbisch-alemannischen Teil Württembergs ausgebreitet hatte. Spaichingen ist auch nicht der einzige Ort, in dem der Jahrgang gemeinsame 50er-Feiern abhält. Dennoch hat sich der Brauch in Spaichingen im Laufe der Jahrzehnte ganz besonders entwickelt. Angefangen hat das Fünfzigerfest sehr bescheiden. Keimzelle des heute mehrtägigen Festes war ein Festgottesdienst in der Wallfahrtskirche auf dem Dreifaltigkeitsberg und ein anschließendes Festessen im Gasthaus Engel. Der Festtag war ein Montag im Mai des Jahres 1873. Und aufgerufen waren lediglich die Männer des Jahrgangs. Im Jahr 1917 fand das Fest an einem Montag Ende Juli statt und das Festmahl wurde bereits im Kreuz eingenommen, denn – wie man an dem großen Kreis der Teilnehmenden ablesen kann – scheint es Anfang des 20. Jahrhunderts bereits ein Fest von größeren Ausmaßen gewesen zu sein. Der organisatorische Aufwand der Initiatoren hielt sich damals allerdings noch in Grenzen: Festteilnehmer hatten sich beim Kreuzwirt selbst anzumelden. Um die Jahrhundertwende hatte man bereits die inzwischen 30 Jahre alte Form des Festes – bestehend aus Gottesdienst und Festmahl – um eine Abendveranstaltung mit Liederkranz und Stadtkapelle erweitert. Dass 1941 nach fast 70 Jahren zum traditionellen Festtag ein weiterer Tag hinzukam, hatte zunächst einen tragischen Grund: Im Sommer 1941 hatten bereits viele Familien, aber auch der feiernde Jahrgang Gefallene zu betrauern. Ein zweiter Gottesdienst wurde am Dienstag in der Stadtpfarrkirche abgehalten, um der Gefallenen zu gedenken. Man nutzte den Tag, um ihn gemeinsam zu verbringen und für einige Stunden den Krieg zu vergessen, immer gewärtig, dass man sich vielleicht in dieser Besetzung nicht mehr wieder sehen würde. So kamen zum 50er-Fest der Gedenkgottesdienst mit anschließender Kranzniederlegung auf dem Friedhof, ein weiteres Mittagessen und ein kleiner Ausflug am Nachmittag hinzu. In der Kriegs- und Nachkriegszeit wurde gefeiert, wie es eben gerade möglich war (so wurden für die Kuchen und ein bescheidenes Festessen Lebensmittelmarken gespart). Aber nicht alle konnten mitfeiern, da es in der Nachkriegszeit für die Auswärtigen schwierig war, Passierscheine zu erhalten, um von einer anderen in die französische Zone zu wechseln. In den 1950er und 1960er Jahren wurde das 50er Fest mit neuem Glanz versehen. Die Wirtschaftswunderjahre machten sich auch hier bemerkbar: Aus einfachen doppelseitigen Einladungen wurden erst kleine, dann immer größere und umfangreichere Festschriften, aus zwei Festtagen wurden – den Empfang am Sonntag mitgerechnet – vier Festtage, denn seit den 1950er Jahren war der Tagesausflug am Mittwoch obligatorischer Bestandteil des 50er Festes. Wichtig ist auch das Erinnerungsbild, das zunächst entweder vor einem der Spaichinger Gasthäuser oder im Stadtgarten hinter dem Gewerbemuseum aufgenommen worden war. Erst seit den 1960er Jahren fanden die Jubilare Aufstellung vor dem Portal der Stadtpfarrkirche, seit einigen Jahren auch an der Dreifaltigkeitsbergkirche. Seit einigen Jahrzehnten feiern nicht nur die Fünfziger, sondern mit ihnen auch alle anderen Jubeljahrgänge, wobei die 90er und 100er von den feiernden 50ern eingeladen und betreut werden. Es gibt ein Wiedersehen vieler Auswärtiger und Ausgewanderter mit den Hiergebliebenen: deshalb „Heimatfest“, wie das 50er-Fest auch genannt wird. Das Gewerbemuseum widmete dem Fünfziger-Fest im Jahr 2002 eine große Ausstellung. Erinnerungsfotos, Festschriften, Jahrgangsfahnen und anderes werden seither im Gewerbemuseum archiviert. Ein Beitrag im Heimatbrief 2003 beleuchtet die verschiedenen Aspekte.